Am 08. Dezember präsentieren wir in unserem 2. Abo-Konzert im Stadtcasino Basel «Disruptive Tradition» mit Werken von Unsuk Chin und Sofia Gubaidulina.
Alice Di Piazza, die von der internationalen Kritik als eine der talentiertesten Pianistinnen ihrer Generation angesehen und bezeichnet wird, wird nicht nur die Solistin des Abends in Gubaidulinas «Introitus» sein und deren Chaconne für Klavier solo präsentieren, sondern hat auch eine ganz besondere Beziehung zu Gubaidulina. Die überarbeitete Fassung des «Introitus» von 2016, die am 8. Dezember in Basel erklingt, ist in enger Zusammenarbeit zwischen der Pianistin und der Komponistin entstanden.
Wir freuen uns sehr auf diese Zusammenarbeit und haben ihr ein paar Fragen gestellt, um sie besser kennenzulernen.
1. Wie bist du zum ersten Mal mit «Klassischer Musik» in Kontakt gekommen und warum bist du nicht mehr von ihr losgekommen?
Ich kann mich an keinen Moment in meinem Leben ohne Klavier erinnern. Während meiner ersten Jahre habe ich viel bei meiner Grossmutter väterlicherseits gewohnt. Sie war eine Pianistin. Jeden Abend setzte sie sich an das Klavier, und ich sass wie gebannt auf ihrem Schoss. Ich war so fasziniert, dass ich meine kleinen Hände auf ihre legte, während sie spielte, um ihre Bewegungen auf der Tastatur zu spüren. Bis eines Tages meine kleinen Hände auf der Tastatur lagen und nicht ihre... da war ich 3 Jahre alt... und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört zu spielen. Aufzuhören wäre wie «meine Stimme zu verlieren», stumm zu werden.
2. Du hast im Alter von 3 Jahren angefangen, Klavier zu studieren und hast dich später auch für Orchesterdirigieren, Kontrapunkt, Fuge und Komposition interessiert. Haben diese Studien dir als Pianist neue Horizonte eröffnet? Und wenn ja, wie hat es dein musikalisches Denken beeinflusst?
Als Kind, das nicht viele Spielsachen besass, verbrachte ich Stunden damit, musikalische Geschichten auf dem Klavier zu erfinden, indem ich zunächst die unendliche Klangvielfalt des Instruments nutzte und später begann, einfache Melodien zu kreieren, die die Figuren in meinen Geschichten definierten. Ich war jung, 16 Jahre alt, als ich Kompositionsunterricht bei dem sizilianischen Komponisten Eliodoro Sollima nahm. Das Studium von Kontrapunkt und Fuge ermöglichte es mir, tiefer in den musikalischen Text einzudringen, um die ihm innewohnende Struktur und Textur besser zu verstehen. Das Dirigieren hat es mir nicht nur ermöglicht, die Orchesterpartitur besser zu «entschlüsseln», sondern auch meine physische, körperliche Beziehung zum Klang zu vertiefen.
3. Im Mittelpunkt unseres gemeinsamen Projekts stehen die Werke von Sofia Gubaidulina, zu der du eine ganz besondere Beziehung hast. Was fasziniert dich an ihren Werken und warum?
Was mich an Sofias Musik sofort bewegt hat, ist der hohe spirituelle Gehalt, von dem ihre gesamte Musik durchdrungen ist. Die kraftvolle Atmosphäre ihrer Werke, die Tiefe, die Dunkelheit und gleichzeitig das Licht – eine Art spirituelles Licht – ziehen mich zutiefst an. All die symbolische Bedeutung des Inhalts ihrer Musik beeinflusst ständig die strukturellen Prinzipien ihres Komponierens. Das ist so einzigartig, so innovativ.
4. Wenn du nicht Künstlerin geworden wärst, was wärst du dann geworden?
Philosophieprofessorin.
5. Die Basel Sinfonietta hat es sich auf die Fahne geschrieben, «Musik am Puls der Zeit» zur Aufführung zu bringen und mit ihren Programmen am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Wie kann das aus deiner Sicht gelingen?
Ich habe Kunst und insbesondere Musik immer in ihrer archaischen Bedeutung der Katharsis betrachtet.
Die soziale Rolle der Kunst ist so grundlegend, dass ich nicht die richtigen Worte finde, um sie zu beschreiben. Ich versuche regelmässig, meiner normalen Konzerttätigkeit Projekte mit hohem sozialem Wert hinzuzufügen, wie z.B. in Gefängnissen und Krankenhäusern zu spielen, Vereine wie Ärzte ohne Grenzen, Musique Esperance oder Mary's meals zu unterstützen...