Am 3. März präsentieren wir bei unserem 3. Abo-Konzert im Burghof Lörrach «#Metoo, Hitchcock», die Uraufführung einer neuen Filmmusik von Moritz Eggert zu Alfred Hitchcocks Stummfilmklassiker «Blackmail».
Wir freuen uns sehr auf diese Zusammenarbeit und das neue Werk!
Moritz Eggert wurde 1965 in Heidelberg geboren. Nach Studien in Frankfurt, München und London erweiterte er sein kompositorisches Schaffen stetig mit den Schwerpunkten Musiktheater (bisher 19 Opern), Vokal- und Instrumentalmusik sowie konzeptionelle und performative Werke. Seine Arbeit erforscht oft Extreme in der Zuspitzung von Aspekten des musikalischen Materials. Entgegen dem typischen Bild «seriöser» akademischer Musik nutzt seine Kunst häufig Ironie, Parodie oder Satire als Mittel, um das Publikum zu fesseln, scheut aber bei Bedarf auch nicht vor Emotionalität oder Melodie zurück. Als Blogger («Bad Blog of Musick») und Autor ist er eine bekannte kritische Stimme in der zeitgenössischen Musik.
Um ihn und sein Interesse an Hitchcocks «Blackmail» besser kennen zu lernen, haben wir ein paar Fragen gestellt:
1. Wie bist du zum ersten Mal mit «Klassischer Musik» in Kontakt gekommen und warum bist du nicht mehr von ihr losgekommen?
Meine Mutter hatte einen eklektischen Musikgeschmack und in unserer Wohnung lief ständig Musik, wobei zwischen John Dowland und den Rolling Stones keinerlei Unterschied gemacht wurde. Insofern war generell Musik ein wichtiger Bestandteil meiner Jugend. Ich entdeckte sehr früh, dass ich mir Musik detailliert im Kopf vorstellen konnte – auf langen Autofahrten presste ich mein Ohr gegen die Scheibe und konnte in dem weissen Rauschen jede beliebige Musik anhören, das war noch lange vor Smartphones und mp3.
Speziell in Richtung klassische Musik brachte mich eine meiner ersten Schallplatten, Svjatoslav Richter mit «Bilder einer Ausstellung».
2. Gibt es Stücke / Erlebnisse die dich in deinem Werdegang als Komponist besonders beeinflusst haben?
Für mich sind zwei Namen sehr wichtig gewesen bei der Erschliessung des Gebiets «Neue Musik», und das sind Erik Satie und Charles Ives. Ich hatte schon immer ein Faible für musikalisch Eigenwillige und Aussenseiter, beide Komponisten sind für mich bis heute sehr wichtig, was ihr Denken und ihre Ästhetik angeht, obwohl es kaum unterschiedlichere Musik geben könnte. Was sie aber eint ist ihr bedingungsloser Freiheits- und Unabhängigkeitswille – mit Stil-Dogmatik und akademischer Selbstverliebtheit konnte ich nie etwas anfangen.
3. Du bezeichnest dich selbst als «Bad Boy of New Music». Was hat es damit auf sich, und was ist deine Mission als Bad Boy?
Der eigentliche «Bad Boy of Music» ist natürlich George Antheil, da kann ich nicht mithalten, da ich bisher noch keine Schusswaffen ins Konzert mitgebracht habe, um revoltierendes Publikum einzuschüchtern. Ich bezeichne mich auch nicht selbst so, hatte aber eine Kolumne in der NMZ unter diesem Pseudonym, daraus wurde dann später der «Bad Blog of Musick», den es bis heute gibt. «Bad» heisst ja in diesem Kontext nicht «böse», sondern eher «ungezogen», und ein bisschen Wildheit und Ungezogenheit kann die Avantgarde, die in den letzten Jahrzehnten eher sehr spiessig und selbstgefällig geworden ist, sicher vertragen. Vor allem ging es mir aber um das Element des Humors, und daher ist es Teil unseres Blogs, bestimmte Aspekte der Szene auch mit Humor zu betrachten, etwas, das definitiv meistens fehlt.
4. Hitchcocks «Blackmail» ist 1929 erschienen, du 1965 geboren. Was interessiert dich an seinen Filmen und was an Filmmusik allgemein?
Ich wollte ursprünglich gar nicht Komponist, sondern Filmregisseur werden, und Hitchcock ist sicherlich eines meiner grössten Idole, schon seit frühester Jugend. Ich kenne alle seine Filme und habe sie intensiv studiert. Sein wichtigster Filmkomponist – Bernhard Herrmann – ist ein absolutes Idol für mich, und hat meine Musik sicher sehr geprägt (was man in meiner Musik zu «Blackmail» als Hommage sicherlich hören kann). Daher war es für mich keine Frage, zu einem solchen Projekt sofort «ja» zu sagen. Zu Filmmusik habe ich eine Art Hassliebe – als Metier ist es frustrierend, da man gerade im kommerziellen Bereich unheimlich viel als Komponist reingeredet bekommt und sehr unfrei ist. Heutzutage ist es ohnehin üblich, alles mit einer einzigen Sosse aus Sounddesign zuzukleistern, das hat mit Musik dann kaum noch was zu tun. Daher enttäuscht mich das meiste, was man heute als Filmmusik hört. In den 60er oder 70er Jahren hatten selbst ganz normale Fernsehserien aufwändige und künstlerisch wertvolle Musik, mit Livemusikern eingespielt, heute klingt oft alles unendlich ähnlich und kommt komplett aus der digitalen Konserve. Aber natürlich gibt es grossartige Ausnahmen, auch heute, und Filmmusik zu einem richtig guten Film würde mir durchaus Spass machen. Aber dann gerne mit den Freiheiten, die auch z.B. ein Ennio Morricone oder ein Jerry Goldsmith bekamen, denn die waren richtig gut!
5. Die Basel Sinfonietta hat es sich auf die Fahne geschrieben, «Musik am Puls der Zeit» zur Aufführung zubringen und mit ihren Programmen am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Wie kann das aus deiner Sicht gelingen?
Wir brauchen einfach insgesamt mehr Musik von heute in den Konzertprogrammen. Neue Musik darf nicht nur in Spezialfestivals stattfinden, sie muss ganz selbstverständlich einen grossen Raum in allen «klassischen» Konzerten bekommen. Das ist leider nach wie vor nicht der Fall, weil viele Veranstalter um ein schwindendes Publikum buhlen, anstatt sich auch um das Publikum von Morgen zu kümmern. Es ist für mich vollkommen klar, dass es zum Beispiel viel schwieriger ist, eine klassische Oper zu «aktualisieren» (was oft nur mit massiven Eingriffen in die Story und einer Verfälschung der ursprünglichen Intention der Autoren geht) als einfach ein neues Stück zu schreiben. Jede Zeit hat bestimmte Themen, und so grossartig Beethoven und co sind – wie sollen sie Antworten auf die Krisen der Gegenwart geben können? Wie soll ihre Musik emotional dafür «stimmen»? Daher bin ich für eine bewusste Hinwendung zur Gegenwart in der Musik, dann kann es eine gesunde Balance zum klassischen Repertoire geben, das natürlich auch weiterhin faszinierend bleiben wird und bleiben soll.
Jedes Konzert, jeder Theaterabend, jede Vernissage oder Lesung ist ein Ort der Begegnung und des gesellschaftlichen Diskurses, der allen digitalen Echokammern des Internets haushoch überlegen ist. Anstatt sich toxisch auf Facebook in Kommentarspalten zu zerfetzen, sollten Menschen wieder die direkte Begegnung suchen, da sind wir uns sicherlich alle einig.